P U B L I C I T Y
Pässe für die Assimilation
Du rein, du raus!

In den Nachrichtensendungen vom 1. Januar reihten sich Silvesterparty-Bilder aus London, New York, Moskau, Paris und Berlin aneinander. Im Anschluss daran wurde in der Kategorie »Buntes« von dem ersten kanakschen Baby berichtet, das qua Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt: Good News aus der Berliner Republik. Symbolträchtig eilte die Ausländerbeauftragte der Hauptstadt, Barbara John, ins Hospital, um den roten Lappen auszuhändigen. Tags zuvor noch hatte Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin versucht, sich mit einem rassistischen Vorstoß beliebt zu machen. Bei ihren Überlegungen, die Knäste zu leeren, verfiel sie ungeachtet ihrer juristischen Durchführbarkeit auf die Idee, nichtdeutsche Gangsta sollten ihre Haftstrafe gefälligst da verbüßen, wo sie angeblich »zu Hause« sind - egal, ob sie dort geboren wurden oder gelebt haben.

Die Tatsache, dass man jemanden mal eben in ein Flugzeug setzen und abschieben kann, hängt mit einem entscheidenden Kriterium zusammen: Politische Rechte erhält man hier allein durch Germanisierung. Zwar gilt durch das reformierte Staatbürgerschaftsgesetz für das Zugangsticket seit wenigen Tagen ein neuer Tarif und die Reform unterhöhlt auch zweifellos das bisher herrschende ius sanguinis: So wird rund einer Million Migrantinnen und Migranten ermöglicht, um einen gesicherten Aufenthalt zu ersuchen - und Wahlen entweder weiterhin für uninteressant zu halten oder eben an ihnen teilzunehmen.

Aber weiterhin dürfen nach bekannten Maßstäben nur diejenigen Deutsche werden, die sich auf der Integrationsskala deutscher als deutsch geben können. Wer von nun an für das »Zertifikat Deutsch« den wissenswerten Unterschied zwischen Akkusativ und Dativ nicht kapiert, bleibt dem Ausländergesetz unterstellt.

Schon vor einem Jahr gaben alle Parteien in der Diskussion um das neue Gesetz ihren Vorstellungen von der Integration der Ausländer Ausdruck. Das Modell Rot-Grün sah Integration durch Einbürgerung vor, während die Konservativen die deutsche Staatsbürgerschaft nicht vorab als Bonus vergeben wollten, sondern erst als späte Belohnung für angepasstes Verhalten. In den entsprechenden Besinnungsaufsätzen - ob pro oder contra Doppelpass - waren alle immer für Integration und signalisierten Ausgleich und Gerechtigkeit, wo es ihnen um Herrschaft und Kontrolle ging. Vor allem im Zuge der CDU/CSU-Unterschriftenkampagne bezeichnete man die angeblichen »Parallelkulturen« der migrantischen Integrationsverweigerer als »Gefahr und bedrohlich«. Solches Bedrohungsszenario wiederum diente beiden Seiten auch als Warnung an die Deutschen: Gelingt es jetzt nicht, den Ausländer zu integrieren, sind zukünftig gesellschaftliche Konflikte unvermeidbar.

Der paternalistische Gestus der notorischen Integrationsprediger ist offensichtlich: Gnadenhalber soll ein Teil der hier lebenden Ausländer für den geleisteten Beitrag zur Selbstassimilation endlich mit dem Clubausweis belohnt werden. Diese Gefälligkeit verdankt sich allerdings auch dem Umstand, dass seit Jahren verschiedene Migrantengruppen entsprechende politische Forderungen erhoben haben. Aber nicht um jeden Preis. Die Neubestimmung ihrer Partizipationsbedingungen durch das Konzept präventiver Pazifizierung und durch selektiven Einschluss erweist sich als ein deutsches Modernisierungsprojekt, das 50 Jahre rassistische Ausländerpolitik festschreibt. Diejenigen, die es wegen dieser Widrigkeiten bisher zu nichts gebracht haben, fahren auch weiter 2. Klasse. Und das macht uns gefährlich.



jungleworld, 5.Januar 2000