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PASSING DRAMA

Passing DRAMA ein Video von Angela Melitopoulos


Ein Bild des Werdens von Geschichte.

Passing Drama basiert auf den mündlichen Überlieferungen der Flüchtlingsgeschichte meiner griechischen Familie. Als Angehörige der griechischen Minderheit 1923 aus der Türkei vertrieben, landeten sie zunächst in Drama, einer kleinen Stadt in Nordgriechenland. Im zweiten Weltkrieg flüchteten sie dann aus den von Bulgaren besetzten Gebieten Nordgriechenlands und wurden Zwangsarbeiter in Österreich.
"Die private Geschichte der Verjagten erweist sich als Geschichte der Privatio im eigentlichen Sinne des Wortes: als unendliche Beraubung... "(Hito Steyerl)

Eine historische Beweisführung vom Standpunkt der verdrängten Minderheiten ist aber nicht Absicht dieses Projektes, weil sich die Migration, von der ich erzähle, nicht auf eine Generation oder einen Täter, auf ein Opfer und ein Territorium bezieht, sondern auf viele.
Wie also funktioniert das Erinnern und Erzählen einer Geschichte, wenn sich der Standpunkt des Erzählers ständig verändert und sich seine Erinnerungen immer wieder neu zusammenfügen?
Die Flucht als Motiv der Erzählung wird in Passing Drama zu einem filmischen Thema über Erzählung und Gedächtnis selbst. Historie erscheint als eine Maschinerie, die für das Wohl einer unsichtbare Mehrheit Minderheiten verschlingt. Drama wird zur Bühne des Vergessens, allerdings eines Vergessens, das nicht aufgehört hat, zu bewegen.

"Die Macht der Minderheiten liegt nicht darin, daß sie in das System der Mehrheit eintritt und sich behauptet, sondern daß sie die gesamte Kraft des Nicht-Zählbaren gegen die Kraft des Zählbaren wirksam werden lassen." (Deleuze/Guattari)
Das Vergessen oder die Notierung des Vergessens drückt sich in diesem Projekt durch die Montage verschiedener Vergangenheitsebenen aus.

Jeder Ort der Erzählung erscheint im Video als eine differenzierte Zeitebene, als Erinnerungs- oder realer Ort. Die Stimmen bilden die unsichtbaren Fäden der gewebten Struktur - sind die Stimmen die Fäden dieses hypertextuellen Videos.
Die verschiedenen Ebenen wurden der Generation der Erzählung entsprechend geordnet und miteinander verwoben: das Vergessen von gestern hat sich mit dem Vergessen von vorgestern und heute verwoben.. (Angela Melitopoulos)

Kurztext/ Ausszug aus einem Text von Maurizio Lazzarato
Das molekulare Werden, die molekularen Fluchtlinien beziehen sich in Melitopoulos Video "Passing Drama" auf die Minoritäten (die Migrant/innen) und sind die Hauptursache des Hasses, den die westlichen Gesellschaften für sie bereithalten. Das Videobild wird hier zum Echo der Bewegungen der grossen Deterritorialisierten (Deleuze/Guattari), dem migrantischen Proletariat.
Das Bild zeigt sich dem Gedächtnis (der Montage) nicht als Ikone, sondern als eine Verkettung von Punkten und Linien. Das Videobild resultiert aus Linien und Verwebungen. Anders als ein Gewebe webt und verwebt sich das Videobild unablässig nach immer neuen Motiven . In der letzten Arbeit von Angela Melitopoulos haben die Bilder von Webmaschinen nicht nur die Funktion soziologischer Beschreibung, sondern bilden gleichzeitig das Paradigma der Bildkonstruktion. Muss man daran erinnern, dass Weben für Platon Metapher des Politischen war?

Begründung der Jury für den Preis der deutschen Fimlkritik in der Kategorie experimenteller Film und Video:
Die Videoarbeit PASSING DRAMA beschreibt Geschichten von griechischen Flüchtlingen im XX Jahrhundert. Die Autorin Angela Melitopoulos überzeugt in ihrer Arbeit durch eine innovative Verbindung von experimentellen und dokumentarischen Stilmitteln. Sie verknüpft Einzelschicksale mit historischen Elementen und persöhnlichen Impressionen und setzt sich so kontrapunktisch ab von historisch-objektivierenden Dokumentartfilmen. Dabei beweist Angela Melitopoulos in ihrer gleichermassen komplexen wie präzisen Bild- und Tonmontage einen genauen Blick , der bewusst und souverän Unschärfen zulässt und zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema einlädt.

Passing Drama wurde

- im November 1999 mit dem Preis des Festivals Medi@terra in Athen im Mai 2000 mit dem Preis der deutschen Filmkritik in der Kategorie experimenteller Film und Video ausgezeichnet.
- im Juni 2000 mit dem Sonderpreis des 9. Marler Video-Kunst Preis ausgezeichnet.
- im August 2000 mit dem Preis des 'Council of Europe' im VideoArtFestival Locarno ausgezeichnet.

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