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Oury Jalloh: Tod in der Polizeizelle
Bundesweite Demonstration am 1. April in Dessau

BREAK the SILENCE: Gegen rassistische Staatsgewalt, Vertuschung und Straflosigkeit

Bundesweite Demonstration
Samstag, 1. April 2006, 14 Uhr
Hauptbahnhof Dessau

Verbrannt in einer Polizeizelle:
Oury Jalloh, ein 21-Jähriger Flüchtlinge aus Sierra Leone, starb am 7. Januar 2005 in Polizeigewahrsam, mit Handschellen an Händen und Füßen auf das Zellenbett gefesselt. Todesursache: Hitzeschock. Die offizielle Version: Das Opfer habe die Matratze mit einem Feuerzeug angezündet, Feuer gefangen und sei verbrannt. Also Selbstmord?

Diese Version warf vor einem Jahr schon schwerwiegende Zweifel auf, die bis jetzt nicht entkräftet worden sind, sondern sich erhärtet und ausgeweitet haben. Das Feuer brach, den Ermittlungen zufolge, gegen Mittag in der Zelle aus. Der Rauchmelder in der Zelle schlug zweimal Alarm. Geräusche und Hilferufe, von einer Gegensprechanlage übertragen, wurden von den diensthabenden Beamten registriert, aber ignoriert. Angeblich hatte der Dienstgruppenleiter die Anlage kurz vor zwölf Uhr leise gestellt, weil er ein Telefongespräch nicht verstehen konnte. Erst als auch der Lüftungsschalter Alarm schlug, ging er in den Keller. Zu spät. Oury Jalloh lag auf einer brennenden Matratze, sein Körper quasi verkohlt. Reste eines Feuerzeugs wurden erst bei späteren "Ermittlungen" in der Zelle gefunden.

Einseitige Ermittlungen:
Während einseitig in Richtung Selbstmord ermittelt wird, bleiben die Verdachtsmomente ungeklärt und Verdächtige unberührt. 13 Monaten nach dem Tod Oury Jallohs gibt es immer noch keine Klarheit über die Umstände und die Verantwortung. Trotz massiver, mittlerweile der Öffentlichkeit bekannter Unregelmäßigkeiten und Widersprüche wird kein Gerichtsprozess angestrengt. Die verantwortlichen Polizeibeamten und der Arzt, der den Todesschein ausstellte, sind immer noch im Dienst. Die Dessauer Staatsanwaltschaft hat zwar Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge und wegen fahrlässiger Tötung gegen zwei Polizisten erhoben. Nun weigert sich aber das zuständige Gericht, das Verfahren zu eröffnen. Mit immer neue Einwände wird versucht, die Verfahren einzustellen - bis ins Absurdum. Mittlerweile heißt es sogar, die Klage der Rechtsanwälte der Familie Jalloh sei nicht gültig, denn es beständen nicht genügend Beweise, dass es sich tatsächlich um die Familie Jalloh handele. Die Zeit vergeht. Bestimmte Verbrechen sollen vergessen werden.

Repression gegen den Ruf nach Aufklärung und Gerechtigkeit:
Und nun wird der Mensch kriminalisiert und verfolgt, der sich als einer der wenigen für die Aufklärung der Todesumstände eingesetzt hat: Mouctar Bah, Freund von Oury Jalloh und Vertreter dessen Familie in Deutschland und nicht etwa die Personen unter deren Verantwortung Oury Jalloh starb. Sein Telecafé in Dessau wurde am 7. Februar 2006 geschlossen und ihm die Gewerbelizenz entzogen. Offiziell heißt es: Mouctar Bah dulde, dass sich Menschen, die im Stadtpark Drogen verkaufen, in seinem Laden aufhalten. Kein Wort über Kauf oder Konsum im Laden, auch keine Beweise. Doch die rassistische Zuschreibung "Schwarze Haut = Drogendealer" scheint auszureichen. Mouctar Bah soll eine dauerhafte Gewerbeuntersagung erteilt werden -- aus "öffentlichem Interesse". Herr Bah hat mittlerweile sämtliche juristischen Mittel ausgeschöpft, um seinen Laden zu schützen.

Das Café war Bahs finanzielle Grundlage und ein zentraler Treffpunkt für die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Es ist ein Ort, an dem sich afrikanische Menschen aus Dessau und Umgebung treffen, miteinander und mit ihren Familien reden und sich ein bisschen sicherer fühlen können als auf der Straße. Der Laden war schon immer ein Dorn im Auge mancher Leute in Dessau.

Die offensichtliche Kollaboration der staatlichen Institutionen dient der Leugnung jeglichen Zusammenhangs zwischen Rassismus, dem Tod von Oury Jalloh und der Schließung des Ladens von Mouctar Bah. Diese Vorgänge in so einer bürokratischen und lautlosen Art und Weise zeigen deutlich die Intention, die Wahrheit über den Tod von Oury Jalloh zu vertuschen und jeglichen Widerstand gegen solche unmenschlichen und undemokratischen Maßnahmen zu brechen.

Rassistische Normalität
Die Geschehnisse in Dessau sind nur der Gipfel des Eisbergs. Die Realität von Flüchtlingen und MigrantInnen in ganz Europa wird von Tag zu Tag dramatischer. Zunehmende Verfolgung und Kriminalisierung kennzeichnen den Alltag von nicht-Europäern in Form von immer mehr Gewalt, Kontrollen, Abschiebungen. Damit werden Hass und Ausgrenzung noch tiefer in der Gesellschaft verankert. Allein zwischen 1990 und 2004 starben in Deutschland elf MigrantInnen im Zuge polizeilicher Maßnahmen, zwölf wurden durch rassistische Angriffe auf der Straße umgebracht.

Es ist wohl üblich, über den Rassismus zu sprechen, der von Nazis auf die Straße getragen wird. Über den Rassismus innerhalb der Institutionen wird hingegen wie gewöhnlich geschwiegen.

Öffentlicher Druck
Obwohl die Presse an verschiedenen Stellen Aufmerksamkeit auf die rassistische Hintergründe des Todes erweckt hat und einige Initiativen eine rückhaltlose Aufklärung der Widersprüche forderten, bleibt die Neigung zum Verschweigen und Vergessen in dieser Gesellschaft bis heute stärker.

Es bedarf JETZT einen entschiedenen öffentlichen Druck, damit der Prozess tatsächlich eröffnet wird.

Schluss mit der Straflosigkeit der Verantwortlichen und der Kriminalisierung und Verfolgung Unschuldiger. Wir lassen uns nicht einschüchtern und fordern Aufklärung, Gerechtigkeit und Entschädigung. Gegen Rassismus, gegen staatliche Gewalt. Stoppt den Polizeiterror gegen Flüchtlinge und MigrantInnen! BREAK the SILENCE!