P R E S S E
WIDERSTAND MUSS ROCKEN

Die Initiative «Kanak Attak» steuert mit ihrer Revue «Opel Pitbull Autoput» konkrete politische Ziele an

Von Gunnar Lützow

Der Alltag von Einwanderern in Deutschland ist voller Widersprüche: Einerseits schätzt man sie als hochqualifizierte Arbeitskräfte in der IT-Branche, genießt ihre gastronomischen Künste oder erfreut sich an Veranstaltungen wie dem Karneval der Kulturen. Andererseits braucht man von Berlin aus nicht erst nach Brandenburg zu fahren, um Ausländerfeindlichkeit zu erleben. Doch nicht nur dumpfe Schläger verbreiten Angst, auch Spitzenpolitiker aus der Mitte der politischen Landschaft gehen mit Parolen auf Stimmenfang, die bekennende Rechtsextremisten als Aufnäher tragen.

Grund genug für die Mitglieder des 1998 gegründeten bundesweiten Netzwerks «Kanak Attak», erneut zu mobilisieren und am Karfreitag in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz unter dem Motto «Kanak Attak - Dieser Song gehört uns» mit vereinten Kräften das ganze Haus zu bespielen. Ziel der Aktion ist jedoch nicht etwa eine Lichterkette sich betroffen fühlender Menschen oder die schwache Erkenntnis, dass die meisten Menschen fast überall Ausländer sind. Initiatorin Ellen Bareis: «Wir wollen eine Haltung zeigen, die migrantische Positionen nicht auf die Opferrolle reduziert und weg führt von den ganzen Zugehörigkeitsregelungen und Zuschreibungen. Wir wollen einen politischen Begriff von Antirassismus entwickeln.»

Was das genau zu bedeuten hat, weiß Aktivist Vassilis Tsianos, der als freier Journalist arbeitet: «Es ist ein Antirassismus, der erstmals nicht mehr stellvertretend von so genannten gutmeinenden Mehrheitsangehörigen betrieben wird, sondern so weit wie möglich von kanakisierten Menschen und solchen, die sich so verstehen, zentral getragen wird.» Massimo Perinelli, der derzeit in Gender Studies promoviert, ergänzt: «Wir erfahren in Deutschland gemeinsam eine rassistische Repression. Das ist die Klammer, die uns eint. Dabei gibt es für uns keinen positiven Bezug auf eine ethnische Zuschreibung, wir verstehen uns nicht als Türken oder Italiener oder Griechen. Wir fangen nicht an, Multikulti-Folklore zu machen, um etwas ,Authentisches´ darzustellen. Wir machen das Kanaken-Ding, das ist spannend.»

Spannung verspricht auch die Zusammenstellung des Abends, die Geschichten aus dem Protest verschiedener Generationen in einer «Kanak History Revue» mit dem Titel «Opel Pitbull Autoput» versammelt. Filmausschnitte, Interviews und Nachrichtensendungen treffen auf Musik, Choreographie und den bekannten Mix aus Stadttheater, Performance und Agit-Prop. Dabei beziehen die Künstler konkrete politische Forderungen mit ein. So verlangen sie in der Tradition der französischen «Sans Papiers»-Bewegung die Legalisierung der derzeit illegal in Deutschland lebenden Einwanderer.

Ein Beispiels für den politischen Charakter des Abends ist die Einladung der Initiative «The Voice», einer Selbstorganisation von Flüchtlingen, die im gesamten Bundesgebiet vertreten ist. «Es geht dabei um die Abschaffung der Residenzpflicht», erklärt Vassilis Tsianos, «die wir als eine besondere Variante des Rassismus in Deutschland betrachten. Es gibt sie nur hier und sie bedeutet für Flüchtlinge mit laufendem Asylantrag eine konkrete Einschränkung ihrer Freizügigkeit, was ein Eingriff in die Grundrechte ist. Die Abschaffung dieser Regelung sollte ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Mit der Einladung wollen wir zeigen, dass wir nicht nur für die Pop-Fraktion da sind.»

Dabei dürfte sich die Pop-Fraktion von Gästen wie Les Robespierres, Kante, Die Goldenen Zitronen, Elena Lange, Move D und Generation Aldi angesprochen fühlen, insbesondere die Freunde der «Hamburger Schule». Für Massimo Perinelli kein Widerspruch: «Der klassischen Linken hat der Hedonismus bisher gefehlt. Dass etwas Spaß macht, heißt nicht, dass es an Inhalt verliert. Was wir machen, ist auch Pop, und der muss die Leute auf einer anderen Ebene ansprechen. Es muss auch rocken.»