P R E S S E
Ein krächzender Angriff

Für das Web ediert von Perikles Monioudis

netzzeitung

Am Osterwochenende rief «Kanak Attak» in der Berliner Volksbühne zum Angriff auf den Rassismus. Tatsächlich aber erschien die Veranstaltung als eher unbedarfter Versuch der Selbstbehauptung. In seiner linkischen Trotzigkeit ähnelt «Kanak Attak» dabei dem jüngsten «Integrationskurs»-Vorstoß der CSU.

Es hätte eine schöne lange Nacht werden können in der Berliner Volksbühne, eine jener Volksbühnennächte, die um 18 Uhr beginnen und um fünf Uhr früh enden: Für Amüsement war der Affiche nach gesorgt - Lesungen, Rockkonzerte, Panels, VJs, eine Revue und dergleichen mehr. Als Veranstalter trat das seit zwei Jahren existierende Netzwerk «Kanak Attak» auf, das sich derzeit in Frankfurt, Berlin, Hamburg, Mannheim, Köln und Tübingen organisiert und in dem «Leute aus den verschiedensten Sparten (Journalismus, Theater, Film, Theorie, Politik, Literatur, Arbeitswelt etc.) zusammenkommen, um Rassismus zu thematisieren und anzugreifen.»

«Ich, ich!»

Die lange Nacht der Selbstbehauptung, wie man sie apostrophieren könnte, geriet allerdings, mitfinanziert von der Heinrich-Böll-Stiftung, zur langen Nacht der Behauptungen. Nicht nur, dass im Vergleich nur sehr wenig junge Menschen südost-, osteuropäischer oder afrikanischer Herkunft dem organisierten «Angriffsgeschrei» gefolgt sind, es war auch eine übliche Volksbühnennacht der studentisch-intellektuellen Art, ein Flanieren zu nennendes Hin und Her zwischen Rotem Salon und Grünem Salon, zwischen Sternfoyer und Hauptbühne, hier wie dort erwartete einen das schrill und heftig, das unförmig artikulierte «Ich, ich!» des Gutgemeinten, des guten Vorsatzes und des künstlerischen Unvermögens.

Eine Stimme, gerade wenn sie zum Angriff schreit, sollte allerdings nicht unförmig artikuliert, sondern sich ihrer selbst bewusst sein. Selbstbewusstsein bezieht «Kanak Attak» indes nur aus der baren Akkumulation der baren Kräfte. «Kanak Attak» ist ein «bundesweiter Zusammenschluss von Menschen jenseits zugeschriebener Identitäten. Kanak Attak ist eine Frage der Haltung und nicht der Herkunft oder der Papiere. So sind auch Nicht-MigrantInnen und Teutonen n-ter Generation mit bei der Sache», lautet die rührende Selbstdefinition und mithin Selbstausgrenzung der Veranstalter.

Damit fällt «Kanak Attak» in den unterdrückten, unartikulierten Geist der Siebzigerjahre zurück, als man sich als Ur-«Kanak» noch der «Leitkultur» unterworfen, sich ihr buchstäblich angedient hat, unfähig, in der Masse eine Stimme zu formen und sich mit ihr Gehör zu verschaffen.

Selbstauferlegte Kunstlosigkeit

Die genuinste Ausprägung der eigenen Stimme ist die verfeinerte. Sich im Jahre 2001 gegen Etikettierungen so unbedarft zur Wehr zu setzen wie das «Kanak Attak»-Netzwerk, ist bestenfalls folgenlos. Die einzelnen Events erreichten denn auch nicht annähernd den Stand dessen, das zur Zeit in Europa, von wem auch immer, «Kanak» hin oder her, künstlerisch, intellektuell, produziert wird – ein lauter Rückfall in die Zeit der Machtlosigkeit. Nunmehr nicht die strukturell bedingte des Fremden, sondern die selbstauferlegte durch eine moderne Huldigung des Götzen Kannitverstan.

Zum CSU-Vorstoß:

CSU will «Integrationskurse» für Ausländer

14. Apr 2001 10:11 Beck gegen Pflichtkurse für Ausländer

15. Apr 15:07

Der lächerliche Vorstoß der CSU (und, im Schlepptau, der CDU), alle dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer zur Teilnahme an Deutsch- und Vaterlandskursen zu verpflichten, und die attackierenden Bemühungen der vor stolz zitternden «Kanaken» haben etwas gemein: beides ist dazu gedacht, dem anderen Lektionen zu erteilen.